Niedersächsisches Landvolk Kreisverband Rotenburg-Verden e.V.

Unsere Tradition: Die Zukunft sichern

Meldungen aus dem Landesverband

Do, 07.04.2022

BImSch-Genehmigung bald für fast alle Tierhalter?

EU-Kommission legt Vorschlag mit neuen Genehmigungshürden ab 150 GV vor

Wer die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur Änderung der so genannten „Industrie-Emissionsrichtlinie“ (IED-Richtlinie) liest, muss denken, dass in den Mitgliedstaaten beim Stallbau bisher keine Umweltvorschriften eingehalten werden mussten. Anders lässt es sich kaum erklären, warum die Kommission die bisher geltenden Schwellenwerte für die besonders bürokratischen Genehmigungs- und Überwachungspflichten nach der IED-Richtlinie für die so genannte „intensive“ Tierhaltung zukünftig pauschal für alle Nutztierarten auf 150 Großvieheinheiten je Standort und Betreiber absenken will. Bisher mussten die EU-Mitgliedstaaten die Vorgaben der Richtlinie, die überwiegend aus Anforderungen an Abfallbehandlungsanlagen und größere Industrieanlagen besteht, auch bei Anlagen mit mehr 40.000 Geflügelplätzen, mehr als 2.000 Mastschweinen oder mehr als 750 Sauen anwenden. Rinder konnten auf Initiative der europäischen Bauernverbände bei der letzten Anpassung noch aus dem Anwendungsbereich herausgehalten werden. Neben besonders aufwändigen Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und veröffentlichungspflichtigen regelmäßigen behördlichen Umweltinspektionen schreibt die Richtlinie die Einhaltung bestimmter Schadstoffgrenzwerte und standortunabhängiger vorsorgender Maßnahmen zur Reinhaltung von Luft, Boden und Gewässern vor. Die Betriebe müssen die für die Branche durch europäische Kommissionen erarbeiteten „besten verfügbaren Techniken“ zum Umweltschutz einhalten. In der deutschen Umsetzung wurde über die so genannte TA Luft hierzu beispielsweise jüngst die Installation von Abluftwäschern zur Filterung von Staub, Ammoniak und Geruch vorgeschrieben. Außerdem setzt Deutschland die Richtlinie in etwas abgemilderter Form bereits für Anlagen ab 15.000 Legehennen oder Puten, 30.000 Masthähnchen, 1.500 Mastschweinen bzw. 560 Sauen um, aber auch mit einer Kumulierungsregel für Gemischtbetriebe.

BImSch-Verfahren zukünftig für nahezu jeden Stall und jede Umbaumaßnahme?

Zur Anwendung kommt das landläufig als „BImSch-Verfahren“ bezeichnete Genehmigungsverfahren, dass insbesondere wegen der Öffentlichkeitsbeteiligung und Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden sowie höherer Genehmigungskosten von Tierhaltern gefürchtet ist. Die Kommission schlägt jetzt die Einfügung eines eigenständigen Kapitels für die Genehmigung und Überwachung von Stallbauten in die Richtlinie vor, das dann auch für die Rinderhaltung gelten und bereits ab einem Umfang an Stallplätzen von umgerechnet etwa 150 GV umgesetzt werden soll. Damit wäre in Niedersachsen jeder durchschnittliche Milchviehbetrieb und auch kleine Schweine- und Geflügelhaltungen (ab 500 Mastschweinen, 300 Sauen (ohne jegliche Mast), 5.000 Hähnchen bzw. Puten oder gut 10.500 Legehennen) zukünftig nach dem BImSch-Verfahren zu genehmigen. Betroffen wären alle Tierhalter, ohne Unterscheidung nach Flächenausstattung oder steuerlicher Einstufung in „landwirtschaftlich“ oder „gewerblich“. Jede bauliche Veränderung von bereits bestehenden Ställen auf den heutigen Höfen oberhalb dieser Größenordnung würde ein BImSch-Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung auslösen, regelmäßigen Umweltinspektionen der Immissionsschutzbehörden der Landkreise usw. Im Unklaren lässt die EU-Kommission noch, wie man mit den bisher festgelegten „besten verfügbaren Techniken“ und den besonders strengen Umweltvorsorgeanforderungen zukünftig bei derartig kleinen Betrieben umgehen will. Das soll erst später in Durchführungsverordnungen festgelegt werden.

Kommission zerstört bäuerliche Strukturen in der Tierhaltung

Für das Landvolk Niedersachsen steht bereits fest, dass die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag durch die Hintertür und mit vorgeschobenen Argumenten damit den bäuerlichen Tierhaltern in Europa die weitere Entwicklung erschweren und für ihre Ziele in der „Farm to Fork“-Strategie und dem „Green Deal“ auch vor einer Politik mit der Brechstange nicht zurückschreckt. Sie ignoriert damit erneut die Expertise ihres eigenen wissenschaftlichen Dienstes, der die einseitige Einschränkung der europäischen Lebensmittelerzeugung bereits vernichtend beurteilt hat und der Kommission bescheinigt, lediglich Produktionsverlagerungen ins außereuropäische Ausland zu bewirken statt effizienten Klimaschutz zu betreiben. Ein Effekt wird mit dem Vorschlag in jedem Fall erreicht: Der Strukturwandel in der Tierhaltung zu deutlich größeren Beständen wird erneut angetrieben, denn höhere Bürokratiekosten und Genehmigungsaufwand lassen sich nur über größere Stückzahlen wieder erwirtschaften. Das Landvolk erwartet, dass insbesondere das Europaparlament der Kommission einmal nicht auf den Leim geht und den Plänen eine klare Absage erteilt.

‹ zurück